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Wärme

Heizungswasser muss verstanden sein!

Montag, 17.10.2016

An dieser Stelle kommt nun die viel zitierte Technische Regel VDI 2035 ins Spiel, welche definiert, wie Schäden in Warmwasser-Heizungsanlagen zu vermeiden sind. Dabei regelt Blatt 1 (2005) die Vermeidung von Steinbildung und Blatt 2 (2009) die Vermeidung von Korrosionsschäden. Wie jede Technische Regel, Norm, Verordnung und Richtlinie, wie jedes Gesetz, lässt auch die VDI 2035 Interpretationsspielraum – ein kleines Beispiel: „Für die Korrosion hat die Zusammensetzung des Wassers eine entscheidende Bedeutung. Durch eine geeignete Wasserbeschaffenheit und eine bestimmungsgemäße Betriebsweise lässt sich die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Korrosionsschäden vermindern.“

Die Lektüre dieser beiden kurzen Sätze und vor allem die Wörtchen „geeignet“ und „bestimmungsgemäß“ begeistern mit Sicherheit keinen SHK-Praktiker. Wenig erquickend auch die grundlegende Definition der Begriffe „Aufbereiten“ und „Behandeln“, als Möglichkeiten, „geeignetes“ Heizungswasser herzustellen: Aufbereitetes Heizungswasser ist dabei ein enthärtetes oder entsalztes Wasser, dem keine Chemikalien zugesetzt werden. Behandeltes Heizungswasser ist dagegen ein Wasser oder aufbereitetes Wasser, dem Chemikalien zugesetzt werden. „Aufbereiten“ oder „Behandeln“? Der Heizungsbauer hat die Wahl!

Die VDI 2035 Blatt 2 beschreibt allerdings unter Punkt 8.4, dass eine Zugabe von Chemikalien ins Heizungswasser auf Ausnahmen beschränkt sein soll, die Auswahl einer solchen Maßnahme Sachkunde erfordert und im Anlagenbuch zu begründen und zu dokumentieren ist (Punkt 8.4.3: „Eine Inhibierung des Heizwassers ist nur bei ständigem, durch andere Maßnahmen nicht vermeidbaren Sauerstoffeintrag notwendig“).

Lesson Learned 2: Heizungswasseraufbereitung statt -behandlung

Wir halten an dieser Stelle fest: Die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Korrosionsschäden in Warmwasser-Heizungsanlagen ist gering, wenn die Anlage korrosionstechnisch geschlossen ist und eine fachgerecht ausgelegte und betriebene Druckhaltung integriert ist. Ein wichtiges Ziel des Korrosionsschutzes in Heizungsanlagen sei es folglich, den Zutritt von Sauerstoff so gut wie technisch möglich zu unterbinden, unterstrich denn auch Dietmar Ende, Leiter Forschung/Entwicklung bei perma-trade Wassertechnik. Eine fachgerechte Planung und Inbetriebnahme (Entlüftung des Systems bei Betriebstemperatur!) sowie eine regelmäßige Wartung bilden hierfür die essentiellen Grundlagen – versteht sich.

Dietmar Ende beim Expertentreff
Quelle: HeizungsJournal
Dietmar Ende, Leiter Forschung/Entwicklung bei Perma-Trade Wassertechnik.

Nun steht der Heizungsbauer aber immer noch vor der „prickelnden“ Frage, ob er sich eher auf die Seite der „Wasserentsalzung“ oder eher auf die Seite der „Wasserenthärtung“ schlagen soll: Um hier eine Entscheidung treffen zu können, bedarf es chemischer Grundkenntnisse (Stichwort: Heizungswasser muss verstanden sein!). Beim Enthärtungsprozess werden Kalzium- und Magnesium-Ionen durch Natrium-Ionen ersetzt, ohne jedoch die Menge der im aufbereiteten Wasser enthaltenen Salzmoleküle zu verändern. Die elektrische Leitfähigkeit des Wassers bleibt unverändert, die restlichen Inhaltsstoffe werden nicht entfernt. Bei enthärtetem Heizungswasser wird die Gefahr von Kesselsteinbildung reduziert. Zur Vorbeugung von Korrosion kann dann jedoch zusätzlich eine Wasserbehandlung erforderlich werden (s.o.).

Der Entsalzungsprozess ersetzt dagegen nicht nur die Kalzium- und Magnesium-Ionen, sondern entfernt auch alle anderen Salze und mineralischen Bestandteile aus dem Wasser – eine weitere Behandlung ist i.d.R. nicht erforderlich. Durch diesen Prozess entsteht salzarmes Heizungswasser, die elektrische Leitfähigkeit des Wärmeträgers wird reduziert. Die Gefahr von Kesselsteinbildung und Korrosion ist damit gleichzeitig sehr niedrig. Bei definierten Grenzwerten des pH-Wertes oder eben speziellen Anforderungen der Kesselhersteller sei man mit der „salzarmen Fahrweise“ auf der sicheren Seite, in diesem Punkt herrschte Einigkeit bei den Teilnehmern des Expertentreffs.

„Die technischen Lösungen zur Wasserentsalzung haben diejenigen zur Wasserenthärtung bereits heute weit überholt. Und der Trend geht weiter in Richtung salzarme Fahrweise!“, so Axel Kraushaar, Gebietsverkaufsleiter Mitte/West bei BWT Wassertechnik.

Axel Kraushaar
Quelle: HeizungsJournal
Axel Kraushaar, Gebietsverkaufsleiter Mitte/West bei BWT Wassertechnik.

Auch Christian Zehetgruber, Abteilungsleiter Grünbeck Forum bei Grünbeck Wasseraufbereitung, favorisiert salzarmes Heizungsfüll- und -ergänzungswasser: „Der Endkunde hat Anspruch auf eine ordentliche, betriebssichere Heizungsanlage. Dementsprechend muss auch er wissen, dass eine fachgerechte Wasseraufbereitung dazugehört. Unsere Aufgabe ist es, dem Fachhandwerker die hierfür notwendige robuste und verlässliche Technik zu liefern, die er einfach bedienen kann (Stichwort: Kartuschenkapazität).“

Christian Zehetgruber beim Expertentreff
Quelle: HeizungsJournal
Christian Zehetgruber, Abteilungsleiter Grünbeck Forum bei Grünbeck Wasseraufbereitung.

Lesson Learned 3: Salzarme Fahrweise des Heizungswassers als Ziel

Die „salzarme Fahrweise“ ist in der VDI 2035 als Richtwert für die elektrische Leitfähigkeit mit kleiner 100 μS/cm im Heizungswasser und beispielsweise in der Schweiz (SWKI-Richtlinie BT 102-01) mit kleiner 200 μS/cm festgelegt. Nochmal: Einen viel größeren Einfluss hat die Zusammensetzung des Wassers (s. Eingangsbeispiel).

„Erfragen Sie die am Verwendungsort zur Verfügung stehende Wasserqualität“, rät Stefan Gölz. Chlorid-Ionen können schon ab Konzentrationen von 30 mg/l für bestimmte Werkstoffe korrosionsfördernd sein. Sulfat- sowie Nitrat-Ionen aus dem Füllwasser können bei Temperaturen von unter 45 °C durch anaerobe Bakterien in unerwünschte Substanzen umgewandelt werden. Wird das Heizungsfüll- und -ergänzungswasser demineralisiert (entsalzt), werden auch diese Ionen sehr stark reduziert – eine praxisgerechte Lösung. „Die Entsalzung ist die einfachste Variante für den SHK-Fachmann und »erschlägt« die Korrosionsproblematik“, konstatierte Dietmar Ende.

Unter dem Stichwort „Werkstoff-Mix“ brachte Tino Sarro einen weiteren Aspekt auf die Tagesordnung des Expertentreffs „Heizungswasseraufbereitung“: „Im Grunde muss der Heizungsbauer die Materialwahl im Blickfeld behalten. Wenn Aluminium mit verbaut ist, darf der pH-Wert 8,5 bzw. bei Aluminium-Silizium pH 9 nicht überschreiten. Ansonsten ist auch hier der salzarme Betrieb zu bevorzugen.“

Lesson Learned 4: pH-Wert-Fenster des Heizungswassers beachten

Des Weiteren berücksichtigten die wenigsten Handwerker eine mögliche Veränderung des Wassers im Betrieb, was insbesondere in Bestandsanlagen (Stichwort: Kesseltausch) kritisch zu bewerten sei, gab Oliver Brändlein zu bedenken Die Praxis zeigt: Es besteht in der Tat großer Nachholbedarf bei der Dokumentation von Arbeiten, Wartungen etc. an Heizungsanlagen – sorgfältig und lückenlos geführte Anlagenbücher sind nach wie vor eine Seltenheit. Hier ist wiederum der installierende Fachbetrieb in der Bringschuld. Das Buch ist der Nachweis, wenn es bei Schadensfällen zu Auseinandersetzungen zwischen dem Anlagenbetreiber und dem Hersteller kommt. Der Betreiber wird sich bei etwaigen Forderungen an den Installationsbetrieb und bei größeren Anlagen auch an den Fachplaner wenden. Diese sind im Garantie- oder Gewährleistungsfall in der Beweispflicht, dass alle Arbeiten norm- und vorgabenkonform durchgeführt wurden. Nur über einen lückenlosen „Lebenslauf“ der Heizung anhand des Anlagenbuches kann dies dargestellt werden – streng nach dem beliebten Motto: „Wer schreibt, der bleibt!“ Hierzu merkte Axel Kraushaar an: „Betriebs- bzw. Anlagenbücher sind bei allen namhaften Anbietern für Wassertechnik verfügbar. Der Installateur muss dieses Angebot nur annehmen! Im Bedarfsfall können die Fachbetriebe dieses Thema sogar an uns »delegieren« (Stichwort: Messungen) und Heizungswasser-Analysen im BWT-Wasserlabor durchführen lassen.“ Solche Dienstleistungen bietet Rüdiger Bleyl im Markt aktiv an: „Selbst für kleinere Heizungsanlagen haben wir bei UWS spezielle Servicekräfte.“ Christian Zehetgruber sieht das „Delegieren“ derartiger Aufgaben dagegen eher kritisch, da es keine nachhaltige Lösung sei, den Fachbetrieben diese wichtigen Tätigkeiten abzunehmen: „Es ist doch ein interessantes Geschäftsfeld!“

Fazit

Fachhandwerker sind beim Thema „Heizungswasseraufbereitung“ umfangreich in der Pflicht. Der Expertentreff hat gezeigt, dass sie gut beraten sind, wenn sie den Empfehlungen der einschlägigen Normen und Richtlinien bezüglich des Heizungswassers folgen bzw. diese „richtig interpretieren“, da sie die allgemein anerkannten Regeln der Technik und somit die Arbeitsgrundlage darstellen. Umso wichtiger ist es, sich – neben den Lessons Learned – eine kleine „Checkliste“ anzulegen:

  • Intensives Lesen der Montage- und Bedienungsanleitung. Bei Unklarheiten sollte man sich mit dem Heizgerätehersteller in Verbindung setzen. Abweichungen können zum Verlust von Ansprüchen führen.
  • Der Betreiber/Endkunde ist über seine Pflichten und die Notwendigkeit zur Einhaltung der Vorgaben aufzuklären. So lassen sich auch die Kosten für die Heizungswasseraufbereitung besser darstellen.
  • Führen eines Anlagenbuches. Das komplexe Produkt „Heizungsanlage“ bedingt eine nutzer- orientierte Dokumentation aller Arbeiten und Vorgänge.

Der HeizungsJournal-Verlag bedankt sich bei den Experten für Ihre Teilnahme und die engagierte Diskussion!

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal
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