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Wärme

Heizungsmarkt rückt in den Fokus der Energiewende

Donnerstag, 21.03.2019

In Industrie und Landwirtschaft stiegen im Jahr 2017 die Treibhausgasemissionen

Auch in der Industrie stiegen im Jahr 2017 die Emissionen, und zwar um 4,7 Mio. t beziehungsweise plus 2,5 Prozent auf 192,9 Mio. t. Davon entfielen 1 Mio. t auf den Anstieg der Prozessemissionen und 3,7 Mio. t auf den Anstieg energetischer Emissionen im verarbeitenden Gewerbe. Für Raffinerien, Stahlindustrie sowie die mineralische Industrie geht die Prognose von einer gestiegenen Produktion aus. Die Produktionsentwicklung in der chemischen Industrie führte insgesamt ebenfalls zu einer leichten Emissionszunahme.

Während in der Landwirtschaft die Treibhausgasemissionen ebenfalls stiegen, um 0,3 Prozent (0,2 Mio. t) auf 65,4 Mio. t, gingen sie im Abfallsektor um 4,3 Prozent (0,4 Mio. t) auf 10 Mio. t zurück. Dieser anhaltende Rückgang geht maßgeblich auf die Entwicklung im Bereich der Abfalldeponierung zurück. Seit 2005 dürfen in Deutschland keine biologisch abbaubaren Abfälle mehr deponiert werden – das macht sich neben Abfalltrennung und Recycling bei den Emissionen positiv bemerkbar. Im Bereich Haushalte schließlich hat das UBA bei den energiebedingten Emissionen mit unverändert 91,5 Mio. t keine Änderungen gegenüber dem Vorjahr festgestellt (Abb. 33, 34, 35).

Details anthropogener Treibhausgasemissionen in Deutschland im Jahr 2017.
Quelle: UBA
Abb.33: Das Jahr 2017 ergab für Deutschland eine gemischte Klimabilanz. Insgesamt gingen die Emissionen an anthropogenen Treibhausgasen gegenüber 2016 leicht zurück, doch sie stiegen im Verkehrssektor und in der Industrie sowie auch in der Landwirtschaft wieder an.

Anteile der Treibhausgase an den Emissionen im Jahr 2016.
Quelle: UBA
Abb.34: Der Hauptanteil an den Treibhausgasemissionen entfällt auf Kohlendioxid.

Entwicklung der energiebedingten Treibhausgas-Emissionen nach Quellgruppen von 1990 bis 2016.
Quelle: UBA
Abb.35: Während Haushalte ihre energiebedingten Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2016 deutlich senken konnten, legt der Bereich Verkehr sogar noch zu.

Handlungsweise der Politik wirft Fragen zur Rolle des Gebäudesektors auf

Bei allen Betrachtungen zum Thema Klimawandel fällt auf, dass es unzählige Fälle im Alltag gibt, die kaum öffentliche, medienwirksame Diskussionen erlangen und erst recht bei der Politik wenig Beachtung finden. Stichworte sind beispielsweise die zunehmende Zahl an Heizpilzen in Städten, Feuerschalen auf Terrassen und Schneekanonen in Skigebieten.

Im Luftverkehr über Deutschland erzielen die Zahl der Flugbewegungen seit Jahren immer neue Rekordwerte. In 2018 wurden nach Angaben der DFS (Deutsche Flugsicherung) bereits 3,34 Mio. kommerzielle Flüge im Luftraum über der Bundesrepublik registriert – so viele wie nie zuvor. Ebenso legten die Starts und Landungen an den 16 internationalen und 21 regionalen Flughäfen hierzulande deutlich zu. Doch Kerosin ist in der gewerblichen Luftfahrt weiterhin von der Mineralölsteuer befreit. Auch wenn eine Kerosinbesteuerung international schwer durchsetzbar ist, wäre es nach EU-Recht seit 2005 möglich, Kerosin zumindest national zu besteuern, berichte der VCD (Verkehrsclub Deutschland). Da jedoch noch immer keine Kerosinsteuer für Flüge innerhalb Deutschlands erhoben wird, verzichtet der Staat nebenbei auch noch auf jährliche Steuereinnahmen von geschätzt rund 0,5 Mrd. Euro. Und in der Landwirtschaft wirft nicht nur der politische Umgang mit der Massentierhaltung Fragen auf.

Direkt zögerlich zeigt sich die Politik auch im Verkehrssektor beim Thema Energieeinsparung im Bestand, Stichwort Tempolimit. Und die Umlenkung der (durch steigende Mieten in den Ballungsräumen) wachsenden Pendlerströme auf einen kostenfreien öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sei nicht finanzierbar.

Steuergelder für den Kauf von Emissionszertifikaten auszugeben, wird hingegen nicht infrage gestellt. Da Deutschland seine Zusagen zur CO2-Reduktion, besonders im Verkehrssektor, nicht einhält, müssten nun nach Ablauf einer Übergangsphase erstmals Emissionszertifikate gekauft werden – etwa 660 Mio. Euro allein für das Jahr 2018, schätzt die DUH (Deutsche Umwelthilfe). Rechnet man dieses und das kommende Jahr noch hinzu kumulieren sich die Kosten für CO2-Zertifikate auf rund 2 Mrd. Euro. Für die folgenden zehn Jahre bis 2030 werden die kumulierten Kosten gar auf 30 Mrd. Euro bis 60 Mrd. Euro geschätzt, da die Preise für CO2-Zertifikate voraussichtlich stark ansteigen werden. Scheinbar fällt es leichter, nutzlos Klimaschulden zu bezahlen, statt diese Steuergelder für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben.

"Wegen der Versäumnisse der Bundesregierung beim Klimaschutz, müssen die Steuerzahler nun für CO2-Zertifikate zahlen", so Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH. "Ein besonderer Skandal ist, dass der Steuerzahler einerseits für Privilegien wie Dienstwagen aufkommen muss, diese aber andererseits so klimaschädlich sind, dass sie sich negativ auf Deutschlands CO2-Bilanz auswirken. Hier finanziert der Steuerzahler klimaschädliche Anwendungen, um anschließend auch noch den Schaden zu begleichen."

Realistische Angaben zu Energieeinsparungen bei Kesseltausch gefordert

Scheinbar leichter fällt es der Politik wohl auch, den Blick wie beim Strompreis auf den Endverbraucher beziehungsweise Gebäudesektor zu richten und, wie erwähnt, eine stärkere Modernisierung der Heizkessel als Beitrag der Haushalte zur Energiewende zu fordern. Doch der Ersatz eines alten Heizkessels durch einen modernen Brennwertkessel spart deutlich weniger Energie als vielfach angenommen, bestätigte nun ein Gutachten, das im Auftrag des BEE (Bundesverband Erneuerbare Energie) erstellt wurde.

"Es ist keine wirksame Klimaschutzmaßnahme, lediglich einen älteren fossil befeuerten Kessel durch einen neueren auszutauschen", stellte Carsten Pfeiffer, Leiter Strategie und Politik beim BEE, bei der Präsentation der Ergebnisse im vergangenen Jahr klar. So werden in der öffentlichen Diskussion zwar häufig Einsparungen von bis zu 30 Prozent Energie und CO2 suggeriert, wenn alte Heizkessel durch neue mit Brennwerttechnik ersetzt werden. Diese Behauptungen würden sowohl durch das Gutachten als auch durch Realbetrieb-Untersuchungen widerlegt. Je nach Effizienz des alten Kessels bewege sich die Minderung nur zwischen zwei und 15 Prozent.

In den meisten Fällen würden durch Maßnahmen an der Peripherie (hydraulischer Abgleich, effiziente Pumpen und Regelungstechnik) höhere Einsparungen als durch den eigentlichen Kesseltausch erzielt (nämlich rund fünf bis zwölf Prozent). Und die Einsparungen in der Peripherie seien nicht einmal zwingend mit dem Kesseltausch verbunden, dieses Potential könnte auch unabhängig gehoben werden. Deshalb solle die Förderstrategie der Bundesregierung besser auf fundierte wissenschaftliche Daten als auf Werbeversprechen basieren.

So müsse man wieder differenzieren. Nach Erhebung des ZIV (Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband) für 2017 befanden sich unter den rund 19 Mio. Öl- und Gasheizkesseln im Bestand etwa 6,5 Mio. Brennwertkessel, 11,8 Mio. Niedertemperaturkessel und noch etwa 0,7 Mio. vor 1984 eingebaute Konstanttemperaturkessel. Das Gutachten des BEE geht davon aus, dass bei einem Kesseltausch derzeit nur in wenigen Fällen (zu zehn bis 15 Prozent) ein Konstanttemperaturkessel, sondern überwiegend (zu 80 Prozent) ein Niedertemperaturkessel und sogar bereits (zu fünf bis zehn Prozent) ein bestehender Brennwertkessel ausgetauscht wird.

Ersetzt man nun mit dem neuen (Gas-)Brennwertkessel einen Konstanttemperaturkessel, würden sich Einsparungen im Bereich von rund zehn bis 15 Prozent ergeben. Doch wird ein Niedertemperaturkessel ersetzt, liegen die Einsparungen nur bei fünf bis zehn Prozent. Und beim Austausch eines alten Brennwertkessels liegen die Einsparungen selbst bei optimaler Betriebsweise nur bei lediglich zwei bis drei Prozent. Zudem sei davon auszugehen, dass in Zukunft kaum noch Konstanttemperaturkessel, sondern überwiegend Niedertemperaturkessel und immer mehr sogar bestehende Brennwertkessel bei einer Modernisierung ersetzt werden.

Forderungen zur energetischen Sanierung müssen Lebenswirklichkeit der Eigentümer berücksichtigen

Dies zeigt, es sollte immer auch die Sinnhaftigkeit, sprich die Kosten/Nutzen-Relation, von verordneten Maßnahmen betrachtet werden. Zudem wird in fast allen Diskussionen die Frage außer Acht gelassen, ob sich die Bürger, speziell die privaten Gebäudeeigentümer, auch die in den politischen Zielvorgaben zur Erreichung der deutschen Klimaschutzziele definierten notwendigen Maßnahmen überhaupt leisten können.

Immerhin hat sich Zukunft Erdgas in der Studie "Sanierungsfahrpläne für Einfamilienhäuser" einmal den Fragen gewidmet: "Wie können sich private Hauseigentümer die Energiewende leisten?" und "Welche Maßnahmen können sich die Menschen finanziell leisten?".

Dabei geht es in der Praxis schließlich doch auch darum, die Lebenswirklichkeit der Eigentümer zu betrachten und ihre Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen. Das heißt, es geht nicht um Vermieter, die sich die Kosten der Modernisierung von ihren Mietern wiederholen. Sondern es geht um selbst nutzende Eigentümer von Einfamilienhäusern und Reihenhäusern. Und auch hier geht es nicht um die 30 Prozent Hauseigentümer mit hohem Einkommen (hierunter fallen die beiden Gruppen mit Haushaltseinkommen von 3.600 Euro bis 5.000 Euro/Monat bzw. von 5.000 Euro bis 18.000 Euro/Monat), sondern eher um die 40 Prozent Hauseigentümer mit mittlerem Einkommen (mit Haushaltseinkommen von 2.000 Euro bis 2.600 Euro/Monat bzw. von 2.600 Euro bis 3.600 Euro/Monat) und besonders aber um die 30 Prozent Hauseigentümer mit geringem Einkommen (mit Haushaltseinkommen bis 1.300 Euro/Monat bzw. von 1.300 Euro bis 2.000 Euro/Monat).

Schaut man sich die verschiedenen Baualtersklassen der Bestandsimmobilien an, so ist es nicht verwunderlich, dass in der Gruppe mit geringem Einkommen der Anteil der älteren Häuser überwiegt, und dass bei jüngeren Gebäuden (ab Baujahr 2002) die Eigentümergruppe mit hohem Einkommen den größten Anteil hält. Das bedeutet, dass gerade "die Eigentümer mit den geringsten finanziellen Ressourcen häufiger die Häuser besitzen, die in der Regel den größten Modernisierungsbedarf haben", so die Erkenntnis der Studie.

Dies muss einfach bei der Erwartungshaltung für die finanzierbare Umsetzung energetischer Modernisierungsmaß-nahmen berücksichtigt werden. Zukunft Erdgas zeigt in der Studie verschiedene Sanierungsfahrpläne auf. Wichtigste Prämisse dabei: Die Investitionen sind generell primär auf die Sicherstellung der Wärmeversorgung ausgerichtet. Wie zu erwarten, zeigt sich, dass durch größere finanzielle Mittel auch eine höhere CO2-Ersparnis erzielt werden kann.

So wird bis 2050 in der Einkommensgruppe I (geringes Einkommen) eine erzielbare CO2-Einsparung von 44 Prozent für möglich erachtet, die Einkommensgruppe II (mittleres Einkommen) könnte 63 Prozent CO2-Einsparung erzielen und die Einkommensgruppe III (hohes Einkommen) ist mit 82 Prozent CO2-Einsparung die einzige, die das für den Wärmemarkt gesetzte CO2-Einsparziel erreicht.

"Die Untersuchung zeigt, dass vor allem die Eigentümer mit geringem Einkommen das angestrebte Klimaschutzziel von 80 Prozent weniger CO2-Emissionen im Jahr 2050 deutlich verfehlen", so das Resümee. Tatsache sei, dass in dieser Eigentümergruppe nur Maßnahmen mit vergleichsweise geringen Investitionen umgesetzt werden können.

Die Fördersystematik müsse daher besser am Bedarf und an der Lebenswirklichkeit ausgerichtet werden. Denn: "Eigentümer mit geringem Einkommen, die einen großen Anteil der alten Häuser bewohnen, können sich eine umfassende Vollsanierung überhaupt nicht leisten. So greift bei ihnen der gesetzte Anreiz für eine umfassende energetische Sanierung nicht. Hinzu kommt, dass auch in den Einkommensgruppen II und III nur eine geringe Bereitschaft zur Aufnahme eines Kredits für umfassende Sanierungsprojekte besteht."

"Um die vorhandenen Spielräume bestmöglich für die Energiewende zu nutzen, muss sich die Abfolge der energetischen Sanierungsschritte an der Lebenswirklichkeit ausrichten", konstatiert Dr. Timm Kehler, Sprecher des Vorstands von Zukunft Erdgas. "Wir dürfen uns bei Maßnahmen und Technologien nicht selbst einschränken. Wir müssen den Eigentümern die notwendige Entscheidungsfreiheit einräumen, damit sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten handlungsfähig sind. Und wir benötigen politische Rahmenbedingungen, die sich nicht gegenseitig widersprechen und langfristig gültig sind."

Von Robert Donnerbauer
Redaktion, Heizungs-Journal Verlags-GmbH
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