Zusätzliches Netz für reinen Wasserstoff
„Die Gasbranche hat die Scheu vor Wasserstoff ein Stück weit abgestreift“, resümierte Kehler. Aus einem „geht nicht“ sei ein „wir packen das“ geworden. Zur Einstimmung auf die dann folgende Podiumsdiskussion (sprich: einer Corona-geschuldeten Online-Fragerunde) konnten die Gerätehersteller in einem kurzen Filmbeitrag über ihre Produktentwicklungen und von Praxisprojekten informieren. Die Erwartungen seitens der Politik, der Wirtschaft und der Hersteller in Wasserstoff sind jedenfalls groß. Da stellt sich die Frage nach der Versorgung. Analog zum Geschäft mit Erdgas erwartet Muthmann auch für Wasserstoff angesichts der wie angedacht überaus großen benötigten Mengen die Entwicklung eines globalen Beschaffungsmarktes. Dieser Idee solle man sich aufgrund der positiven Erfahrung beim Erdgas auch ohne Berührungsängste nähern. Sicherlich werde ein Teil auch in Deutschland hergestellt, der überwiegende Teil müsse aber importiert werden. Hier müsse man auch über Europa hinaus denken. Gerade in der Anfangszeit müssten mehrere Henne/Ei-Probleme überwunden werden. Die Frage nach Investitionen in Produktionsanlagen hänge nun mal stark von dem erwarteten Absatz ab. Die Lösung müsse wahrscheinlich von der Nachfrageseite getrieben werden. Im Sinne der Sektorenkopplung gewinne zukünftig zudem ein gesamtsystemischer Ansatz für die Strom- und Gasnetze an Bedeutung, gab Albus zu bedenken. Für eine größtmögliche Flexibilität in den Verteilnetzen müssten die Netze bei zunehmender Dezentralisierung kombiniert werden.
Die Heizungsindustrie fahre beim Energieträger Gas aktuell dreigleisig, berichtete Glock. Bei den bestehenden Gasheizgeräten im Bestand sei eine Wasserstoff-Beimischung von zehn Prozent machbar, die jetzt neu angebotenen Gasheizgeräte könnten bis zu 20 Prozent und darüber hinaus arbeite man an „H2-Ready“-Geräten, die dann in Netzen mit reinem Wasserstoff zum Einsatz kommen. Ein weiteres Thema seien Brennstoffzellenheizgeräte. Die heute hierzulande angebotenen Geräte haben eine elektrische Leistung zwischen 0,7 und 1,5 kW. Es werde aber auch schon an Geräten mit einer höheren elektrischen Leistung von 10 bis 20 kW gearbeitet. Auch hier seien die bereits installierten Anlagen zumeist begrenzt in dem möglichen Wasserstoff-Einsatz. Ziel sei es aber, die zukünftigen Geräte flexibel mit unterschiedlichen Wasserstoff-Konzentrationen oder zumindest dann mit reinem Wasserstoff einsetzen zu können.
Bei der Betrachtung des Gerätebestands sei eine Wasserstoff-Beimischung von 20 Prozent im Gasnetz jedenfalls eine Grenze, die man aus Sicherheitsgründen nicht überschreiten sollte, stellte Albus klar. So empfehle es sich vielmehr, zusätzlich neue Strukturen für dann reine Wasserstoff-Netze aufzubauen. Um dies alles in der Praxis auch umsetzen zu können, müssten klare, verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Das Thema der Dekarbonisierung des Gases und die Entwicklung des Systems in Richtung Wasserstoff seien jedenfalls für die Gasbranche von essentieller Bedeutung, resümierte Kehler zum Ende des Innovationsforums.
Aus Zukunft Erdgas wird Zukunft Gas
Ende November 2020 zog die Initiative der deutschen Gaswirtschaft auf ihrer Mitgliederversammlung denn auch schon eine nach außen sichtbare Konsequenz. Die Brancheninitiative hat sich zum Jahreswechsel umbenannt: Aus Zukunft Erdgas wurde Zukunft Gas. „Der neue Name zeigt die Ambitionen und Zukunftsfähigkeit der Gaswirtschaft klarer als zuvor“, erläuterte Kehler. Dabei gehe es nicht allein um das Thema Wasserstoff. Schon in der Vergangenheit habe Zukunft Erdgas den Weg in die Dekarbonisierung mit klimaneutralen Gasen, wie Biogas oder synthetisches Methan, geebnet. Mit der Umbenennung zum 1. Januar 2021 in Zukunft Gas vollzieht die Gaswirtschaft einen weiteren logischen Schritt. Denn die Transformation in Richtung Klimaneutralität und die aktive Gestaltung dieses Weges bilde sich nun auch im Namen ab. „Als Zukunft Gas können wir mehr denn je die Zukunftsfähigkeit der Branche vermitteln“, so Kehler. „Gas ist die zweite Säule der Energiewende und macht ein Viertel der Energieversorgung Deutschlands aus. Dieser Anteil wird in Zukunft noch steigen. Darüber hinaus ist die Gasinfrastruktur ein zentraler Baustein in diesem wichtigen Prozess.“ Dabei vergaß er auch nicht, nochmals darauf hinzuweisen, dass es zeitgemäßer Rahmenbedingungen, Technologieoffenheit und Innovationskraft bedarf, um Märkte für klimaneutrale Gase zu schaffen.