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Wärme

Expertenkommission der Regierung empfiehlt CO2-Bepreisung

Mittwoch, 21.03.2018

Die Expertenkommission bemängelt beispielsweise das Fehlen zusätzlicher Instrumente zur Kompensation der Treibhausgaswirkungen des Kernenergieausstiegs. In dem Maße, in dem die CO2-neutrale Stromerzeugung aus Kernelementen abgeschaltet wurde, mussten fossile Kraftwerke zugeschaltet werden.

Die Grafik zeigt den Anteil der Energieausgaben privater Haushalte (ohne Kraftstoffe) an ihren Gesamtkonsumausgaben.
Quelle: Expertenkommission
Anteil der Energieausgaben privater Haushalte (ohne Kraftstoffe) an ihren Gesamtkonsumausgaben.

Darüber hinaus sei die zunehmende Kleinteiligkeit der ergriffenen Maßnahmen alles andere als zielführend. Die Kommission fordert die zukünftige Regierung auf, die Hemmnisse differenzierter zu analysieren, um sie besser zu verstehen, "um auf der Basis der daraus gewonnenen Erkenntnisse zu besseren Politikansätzen zu gelangen."

Die Grafik zeigt die von der Expertenkommission gewünschte Erhöhung des Anteils  Erneuerbarer Energien am Wärmeverbrauch.
Quelle: Expertenkommission
Erhöhung des Anteils "Erneuerbarer" am Wärmeverbrauch (Raumwärme, Warmwasser, Prozesswärme, Klimakälte und Prozesskälte). Ziel nach EEWärmeG 2008: 14 Prozent bis 2020. Status quo 2016: 13 Prozent.

Und sie sagt klar und hat dabei auch den Wärmemarkt im Blick: "Wenn es im Rahmen dieser Analyse zu einer geringeren Anzahl an Förderinstrumenten und zu einer Konzentration auf einige wenige, dafür aber wirksamere Programme käme, wäre das kein Nachteil."

Die Grafik zeigt die durchschnittliche Endenergieproduktivität pro Jahr.
Quelle: Expertenkommission
Durchschnittliche Endenergieproduktivität pro Jahr, definiert als reales Bruttoinlandsprodukt geteilt durch Endenergieverbrauch. Je höher der Quotient, desto größer die Endenergieproduktivität.

CO2-Bepreisung als Koordinierungsinstrument

Den Emissionshandel befürworten die Wissenschaftler. Sie halten ihn aber für halbherzig, da er lediglich nur etwa die Hälfte der gesamten Treibhausgas-Emissionen in Deutschland betrifft. Deshalb raten sie dem Parlament die Einführung einer allgemeinen CO2-Bepreisung unter Einbeziehung möglichst aller Emissionsquellen, Technologien und Sektoren. Damit sprechen sie unter anderem Heizöl und Erdgas an.

"Mit einer solchen Preismaßnahme würden sich die gegenwärtig erkennbaren Zielverfehlungen erheblich reduzieren. Sie verbessern zudem die Wettbewerbsposition von erneuerbaren gegenüber den fossilen Energien." Als Ausgleich dafür sollten für den Verbraucher die ökologisch ineffiziente Steuer und weitere elektrizitätsbezogene Umlagen und Abgaben gestrichen werden. "Eine umfassende CO2-Bepreisung als zentrales Koordinierungsinstrument muss also keine äquivalente Mehrbelastung der Letztverbraucher bedeuten, denn dem höheren CO2-Preis steht eine Reihe von Kostenvorteilen gegenüber."

Wie hoch könnte der Ausgleich sein? Eine Vorlage liefert die Schweiz – die praktiziert dieses Verfahren bereits. Das Alpenland erhebt die CO2-Abgabe auf alle fossilen Brennstoffe, also Heizöl, Erdgas, Kohle. 2016 betrug sie 84 Franken pro 1 t CO2 und wird auf den Rechnungen für Brennstoffkäufe ausgewiesen.

Ein Beispiel: Erdgas emittiert rund 200 g CO2 je 1 kWh. Bei einem Kesselwirkungsgrad von 90 Prozent wären das etwa 220 g. Ein schlecht gedämmtes Einfamilienhaus mit rund 150 m2 Wohnfläche verbraucht etwa 30.000 kWh pro Jahr. Das sind 6,6 t CO2 oder 555 Schweizer Franken (475 Euro). Bei einem wärmegedämmten Neubau gleicher Größe mit 10.000 kWh pro Jahr reduziert sich dieser Betrag auf 180 Franken oder 165 Euro. Einkommensschwächere Haushalte erhalten eine teilweise Rückerstattung.

Nach Meinung vieler Experten würde in Deutschland ein CO2-Preis von 25 Euro je 1 t CO2 eine Lenkungswirkung und Vorzieheffekte zugunsten klimafreundlicher Energieträger bewirken. Die Schweiz hatte übrigens mit zwölf Franken angefangen und die Abgabe jedes Jahr erhöht. Auf der Klimakonferenz in Bonn im November 2017 hatte man die Tonne CO2 mit 130 Euro bewertet, zusammengesetzt aus 60 Euro direkte Schäden und 70 Euro Folgeschäden.

Der Bericht der Expertenkommission an das Bundeswirtschaftsministerium betont des Weiteren: "Darüber hinaus ist auch in regulatorischer Hinsicht eine beträchtliche Vereinfachung und Verschlankung der aktuell hochkomplexen Fördermechanismen erreichbar, wenn im Gegenzug zur umfassenden CO2-Bepreisung andere klimapolitische Instrumente auf den Prüfstand gestellt und eventuell abgeschafft werden."

Effizienz im Kopf statt "Effizienz zuerst"

Mit dem "Grünbuch Energieeffizienz" vom Sommer 2016 hat die Bundesregierung das Prinzip "Efficiency First" als Leitgedanken vorgeschlagen. Zwar begrüßt die Expertenkommission den proklamierten höheren Stellenwert der Energieeffizienz, doch warnt sie davor, das Prinzip "Efficiency First" als einen generellen Vorrang der Energieeffizienz vor dem Ausbau der Erneuerbaren zu interpretieren und plädiert für einen breiteren Ansatz: Nicht alle technisch möglichen Effizienzoptionen seien als sinnvoll einzustufen.

Vielmehr müssten auch systemtechnische, ökonomische, ökologische und soziale Kriterien Beachtung finden: "Beispielsweise ist jede Speicherung von Energie mit energetischen Verlusten verbunden und somit aus Effizienzsicht nachteilig, doch kann der Ausbau der Energiespeicherung sinnvoll sein, um höhere erneuerbare Stromanteile in die Elektrizitätsversorgung zu integrieren."

Wenn ein griffiges englischsprachiges Schlagwort für erforderlich gehalten werde, möge man daher besser von "Think Efficiency" anstatt "Efficiency First" sprechen.

Von Bernd Genath
Düsseldorf
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