Das Thema "Sektorenkopplung" rückt den Gebäudebereich und hier vor allem den Bilanzraum Heizung, Lüftung, Kühlung und Warmwasserbereitung mehr und mehr in den Fokus des politischen wie öffentlichen Interesses. Wie nehmen Sie die Diskussionen rund um die "power-to-x"-Technologien ("power-to-heat", "power-to-hydrogen", "power-to-gas", "power-to-liquid") wahr?
Das IWO hat in den vergangenen Jahren verschiedene "power-to-heat"-Optionen in Modellvorhaben erprobt. Dabei geht es unter anderem darum, die Herausforderungen zu meistern, die sich durch das schwankende Angebot von Sonnen- und Windenergie ergeben. Auch Öl-PV-Hybridsysteme funktionieren ja nach dem "power-to-heat"-Prinzip und zeigen anschaulich, wie die Sektorenkopplung auch im Kleinen clever umgesetzt werden kann. Heizöl kann als speicherbarer Energieträger im Zusammenspiel mit volatilen erneuerbaren Energien die Versorgungssicherheit gewährleisten und zugleich eine vollflexible, systemdienliche Nutzung der erneuerbaren Energien ermöglichen. "Power-to-heat"-fähige Hybridheizungen, die in der Lage sind, erneuerbaren Strom oder Heizöl als Wärmequelle zu nutzen, können ihre Stromnachfrage optimal an die jeweiligen Verhältnisse auf der Stromseite anpassen – automatisch und ohne jegliche Komforteinschränkungen bei den Hausbesitzern. Anders als etwa reine Elektroheizungen, wie zum Beispiel monovalente Strom-Wärmepumpen oder Nachtstromspeicherheizungen, benötigen solche Öl-Hybridsysteme auch keine zusätzlichen Reservekraftwerkskapazitäten, die mit entsprechendem Kostenaufwand jederzeit bereitgehalten werden müssten. Ein Öl-PV-Hybridsystem lässt sich mit heute bereits bewährter, marktgängiger Technik umsetzen. Für eine solche Kombination mit einem Warmwasserspeicher mit integrierter Warmwasser-Wärmepumpe haben zahlreiche Heizgerätehersteller Lösungen im Angebot. Auch andere Anwendungen, etwa die Nutzung von ansonsten abgeregeltem Öko-Strom, sind technisch leicht umzusetzen. Damit sie für die Hauseigentümer auch wirtschaftlich attraktiv sind, müssten jedoch noch Anreize für eine Flexibilisierung der Stromnachfrage geschaffen werden.
"Power-to-liquid", also die Produktion weitgehend klimaneutraler Brennstoffe mithilfe von erneuerbar erzeugtem Strom, ist ein wichtiges Zukunftsthema. Der Einstieg in die Entwicklung weitgehend treibhausgasneutraler flüssiger Energieträger ist unverzichtbar. Das zeigt beispielsweise die Studie "Status und Perspektiven flüssiger Energieträger in der Energiewende" der Prognos AG. Alternative Brennstoffe, wozu zum Beispiel auch fortschrittliche "Bio-Fuels" zählen, können in der bereits heute genutzten Infrastruktur und Technik ohne aufwändige Umrüstungen eingesetzt werden und verfügen über den spezifischen Vorteil flüssiger Energieträger: ihre hohe Energiedichte. Diese ist um ein Vielfaches höher als etwa in einer Lithium-Ionen-Batterie.
Welche Lösungen und Ansätze halten das IWO und seine Partner in diesem Kontext bereit, bzw. an welchen Themen wird geforscht (Stichwort: "E-Fuels", "green fuels")?
Will Deutschland seine klimapolitischen Ziele für 2050 erreichen, müssen Benzin, Diesel, Heizöl und Erdgas zunehmend treibhausgasneutral werden. Solche "Future Fuels" werden ein wichtiger Bestandteil im Technologie- und Energieträgermix der Zukunft sein. Dass ein solcher Mix viele Vorteile hat und zudem deutlich günstiger ist als ein Vorgehen, das primär auf strombasierte Anwendungen setzt, hat auch die dena-Leitstudie "Integrierte Energiewende" gezeigt.
Zur Herstellung zunehmend treibhausgasneutraler Brenn- und Kraftstoffe können verschiedene Pfade genutzt werden. Derzeit sind biomassebasierte Produkte auf dem Markt erhältlich, die bereits heute Treibhausgasminderungen aufweisen. Durch den Einsatz von erneuerbarem Wasserstoff können Raffinerieprodukte mit weniger Treibhausgasemissionen produziert, aber auch biomassebasierte Produkte hydriert werden. Der Bedarf an erneuerbaren Kraft- und Brennstoffen wird weltweit allerdings derart groß sein, dass zukünftig auch synthetische Brenn- und Kraftstoffe aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff und CO2 als Kohlenstoffquelle, auch "power-to-x" bzw. "power-to-liquid" oder "E-Fuels" genannt, benötigt werden. Hierzu gibt es eine Vielzahl an Forschungs- und Entwicklungsprojekten. Ein wichtiger Aspekt ist dabei insbesondere die sogenannte "drop-in"-Fähigkeit, also die Möglichkeit, erneuerbare Brennstoffe den klassischen Produkten in zunehmendem Maße beizumischen und mit der bestehenden Technik zu nutzen.
Das IWO ist über seine Tochterunternehmen, Tec4Fuels und das OWI Oel-Waerme-Institut, zum Teil direkt an solchen Projekten beteiligt. Darüber hinaus gibt es im Rahmen sogenannter Reallabore vom Bund geförderte Vorhaben, die die Produktion von grünem Wasserstoff vorsehen, der, wie gesagt, wichtiger Bestandteil von "E-Fuels" ist. Untersuchungen, die unter anderem im Auftrag des IWO vorgenommen wurden, zeigen zudem, dass die Produktion erneuerbarer Kraft- und Brennstoffe im Rahmen eines globalen Marktes viele Vorteile hätte – auch für solche Länder, die bislang von der Förderung fossiler Rohstoffe profitieren. "E-Fuels" würden es erlauben, erneuerbare Energie aus Ländern mit besonders günstigen Produktionsbedingungen, wie viel Sonne bzw. stetigen Winden, zu importieren. Neben Effizienzsteigerungen und dem Ausbau der inländischen Ökostrom-Erzeugung werden solche Importe ein wichtiges Standbein für die künftige Energieversorgung in Deutschland sein. Bei der Entwicklung dieser neuen Energieträger ist deren Praxistauglichkeit von großer Bedeutung. In einem Modellvorhaben setzt IWO in verschiedenen Wohngebäuden bereits treibhausgasreduziertes Heizöl ein, das primär aus Altspeisefetten gewonnen wird, wobei wir das Mischungsverhältnis gegenüber dem fossilen Heizöl von Haus zu Haus unterschiedlich hoch angesetzt haben. Die Anlagen laufen seither ebenso zuverlässig und unauffällig wie zuvor mit dem klassischen Heizöl.
Treibhausgasreduzierte Brennstoffe sowie synthetische Kraftstoffe werden demnach intensiv als wichtige Bausteine der Energie- und Wärmewende diskutiert, aktuell sicherlich befeuert durch die öffentlichen Debatten zu einer CO2-Bepreisung. Denn so würden erneuerbare Energien nicht nur im deutschen/europäischen Strommix, sondern auch im Gasnetz und bei flüssigen Brennstoffen an Bedeutung gewinnen. Ein breites Spektrum von Technologien könnte auf diese Weise zu einem Gesamtsystem verknüpft werden. Wie stehen aus Ihrer Sicht die Chancen für eine zügige Marktdurchdringung? Wo sehen Sie noch Hemmnisse?
Neben Forschungsaktivitäten und Reallaboren benötigen wir nun vor allem geeignete Markteinführungsprogramme, zum Beispiel in Form wettbewerblicher Ausschreibungen, und darüber hinaus dauerhaft verlässliche Rahmenbedingungen für Investoren. Dazu zählt auch die schnellstmögliche Anrechenbarkeit klimaneutraler Kraftstoffe bei der EU-Flottenregulierung der Fahrzeughersteller. Durch einen erfolgreichen Markthochlauf im Verkehrssektor können die Vorteile dieser regenerativen Produkte dann auch in anderen Sektoren, wie dem Gebäudebereich, zur Erreichung der Klimaziele eingesetzt werden.