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Wärme

Die Bedeutung von flüssigen "Future Fuels" wird wachsen

Dienstag, 24.12.2019

Interview mit Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik e.V. (IWO).

Öl in Wasser.
Quelle: A Different Perspective / https://pixabay.com/
Im deutschen Heizungsbestand gibt es laut ZIV (Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband; Stand: 2017) rund 5,7 Millionen Ölheizungen.

Die Ölheizung ist aktuell wieder sehr kräftig in den politischen wie gesellschaftlichen Diskurs geraten, dafür haben zuletzt die von der Bundesregierung beschlossenen Eckpunkte des Klimaschutzprogramms gesorgt. Diese sehen unter anderem vor, die Neuinstallation reiner Öl-Brennwertgeräte ab 2026 zu untersagen. "Millionen Menschen, die im ländlichen Raum leben, würden dadurch zusätzliche Auflagen bei der Heizungsmodernisierung bekommen. Zudem droht ihnen nach den Beschlüssen des Klimakabinetts auch eine massive Benachteiligung bei Fördermaßnahmen", betont Adrian Willig, Geschäftsführer des Instituts für Wärme und Oeltechnik e.V. (IWO), im Interview mit dem HeizungsJournal hierzu. Es sei falsch, vom Ansatz der Technologieoffenheit abzuweichen, zumal auch heute noch fossil betriebene Öl-Brennwertheizungen durch Einkopplung erneuerbarer Energien und zunehmend treibhausgasneutralem Heizöl eine klimaneutrale Perspektive hätten.

Foto von Adrian Willig.
Quelle: IWO
"Die Herausforderung besteht darin, dass sich die Wärmewende, anders als der Kohleausstieg, nicht einfach politisch beschließen lässt. Wir haben es hier mit Millionen unterschiedlicher Akteure, wie Eigentümern, Mietern und Handwerkern, zu tun. Zudem greifen energetische Modernisierungen ganz unmittelbar in den Alltag der Menschen ein. Deshalb sind Fragen nach der Akzeptanz und gerade soziale Aspekte entscheidend. Hausbesitzer müssen ja nicht nur die Motivation haben, Investitionen zu tätigen, sondern auch in der finanziellen Lage dazu sein", betont Adrian Willig.

Wie der Bundesverband der Deutschen Heizungsindustrie e.V. (BDH) mitteilte, wurden vergangenes Jahr 732.000 Wärmeerzeuger in Deutschland abgesetzt. Drei Prozent mehr als im Vorjahr. Als Treiber dieses Wachstums nennt der BDH den verstärkten Neubau, der Sanierungssektor setze nicht die erhofften Impulse. Wie erleben Sie das aktuelle Marktgeschehen aus Sicht des IWO?

Wir können die Einschätzung des BDH bestätigen. Die Zahlen zum Wärmemarkt zeigen, dass sich im Gebäudebestand noch immer zu wenig tut. Deutschlandweit entsprechen fast zwölf Millionen Gas- und Ölheizungen nicht mehr dem aktuellen Stand der Technik. Dementsprechend groß ist der Modernisierungsbedarf. Doch die Sanierungsquote stagniert auf niedrigem Niveau. Die Herausforderung besteht darin, dass sich die Wärmewende, anders als der Kohleausstieg, nicht einfach politisch beschließen lässt. Wir haben es hier mit Millionen unterschiedlicher Akteure, wie Eigentümern, Mietern und Handwerkern, zu tun. Zudem greifen energetische Modernisierungen ganz unmittelbar in den Alltag der Menschen ein. Deshalb sind Fragen nach der Akzeptanz und gerade soziale Aspekte entscheidend. Hausbesitzer müssen ja nicht nur die Motivation haben, Investitionen zu tätigen, sondern auch in der finanziellen Lage dazu sein.

Dass die Eigentümer durchaus bereit sind, für die Wärmeversorgung im Bestand Geld in die Hand zu nehmen, zeigen die gestiegenen Absatzzahlen für Tanksysteme. Hier haben wir es aus Verbrauchersicht jedoch auch mit Kosten in einer anderen Größenordnung zu tun.

Im deutschen Heizungsbestand tummeln sich laut ZIV (Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband; Stand: 2017) rund 5,7 Millionen Ölheizungen – 5 Millionen Heizwertkessel und 0,7 Millionen Brennwertgeräte. Davon seien 6,5 Prozent über 33 Jahre alt. Mit welchen Mitteln kann es Ihres Erachtens gelingen, diese "Patienten" im Bestand zu aktivieren?

Die von Ihnen genannten Zahlen unterstreichen, dass wir viel mehr Modernisierungen brauchen. In Anbetracht der enormen Herausforderungen bei der Wärmewende haben wir noch einen Marathonlauf vor uns, keinen Sprint. Daher benötigen Hauseigentümer langfristig verlässliche Rahmenbedingungen und, damit verbunden, dauerhafte Anreize. Die vom Klimakabinett jetzt in Aussicht gestellte steuerliche Förderung für Sanierungsmaßnahmen ist schon lang überfällig. Zudem sollten Programme zum Austausch alter Heizkessel nachhaltig, dauerhaft und technologieoffen gestaltet werden. Denn wichtig ist zuallererst, dass die CO2-Emissionen im Gebäudebereich sinken. Wie das im Einzelfall umgesetzt wird, sollten die Eigentümer selbst entscheiden können. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des ITG, Dresden, zeigt zum Beispiel, dass auch ölbeheizte Gebäude die Klimaziele erreichen können. Dafür benötigen wir eben deutlich mehr Heizungsmodernisierungen. Die Ankündigung von Verboten führt jedoch zu einer Verunsicherung bei Verbrauchern und damit zu Attentismus. Bereits die Diskussionen im Vorfeld haben eine starke Zurückhaltung bei der Heizungssanierung verursacht.

Drei Menschen stehen in einem Heizungskeller.
Quelle: IWO
Gerade Eigentümer von Ölheizungen setzen, laut IWO, bereits heute überdurchschnittlich oft zusätzlich auf Solarthermie. Diese Kombination gäbe es deutschlandweit mehr als 900.000-mal.

Wie beurteilen Sie die Rolle der hybriden Heizsysteme auf Basis der Öl-Brennwerttechnik bei der Bestandssanierung?

Hybridsysteme, die verschiedene Wärmequellen nutzen und erneuerbare Energien einkoppeln, sind nach wie vor ein zukunftsweisendes Konzept. Das hat ja auch das Klimakabinett erkannt, das den Einbau von Hybridsystemen auf Basis von Öl-Brennwerttechnik auch nach dem Jahr 2026 ausdrücklich als Lösungsoption zur CO2-Reduktion anerkennt. Gerade für bestehende Ein- und Zweifamilienhäuser im ländlichen Raum bieten sich solche Hybridsysteme an, denn ein sofortiger Umstieg auf eine vollständig erneuerbare Energieversorgung ist dort in sehr vielen Fällen technisch nicht sinnvoll oder kaum bezahlbar. Gerade Eigentümer von Ölheizungen setzen bereits heute überdurchschnittlich oft zusätzlich auf Solarthermie. Diese Kombination gibt es deutschlandweit mehr als 900.000-mal. Doch auch Strom aus der hauseigenen Photovoltaik-Anlage (PV) kann zur Wärmeversorgung beitragen. So erreicht bei ganzheitlicher Betrachtung ein Öl-Photovoltaik-Hybridsystem mit solarstrombetriebener Warmwasser-Wärmepumpe Treibhausgaseinsparungen von mehr als 50 Prozent. Durch zusätzliche Effizienzmaßnahmen, zum Beispiel durch die Dämmung der Gebäudehülle, kann dieser Wert noch weiter gesteigert werden. Die Kombination von Öl-Brennwerttechnik und Photovoltaik ist eine attraktive Option, um dauerhaft mehr für den Klimaschutz zu tun. Durch einen künftigen Einsatz treibhausgasreduzierter Brennstoffe eröffnet sich für diese Heizsysteme langfristig sogar eine gänzlich klimaneutrale Perspektive.

Dennoch hat das Klimakabinett in seinen Eckpunkten beschlossen, dass Ölheizungen allein ab 2026 nicht mehr eingebaut werden dürfen. Und bei der vorgesehenen Austauschförderung werden ölbasierte Hybridlösungen offenbar nicht mehr berücksichtigt. Können Sie das nachvollziehen?

Der Beschluss des Klimakabinetts, die Neuinstallation reiner Öl-Brennwertgeräte ab 2026 zu verbieten und kurzfristig auch die Fördervoraussetzungen für Öl-Hybridheizungen, die erneuerbare Energien einbinden, einzuschränken, ist kontraproduktiv und ungerecht. Millionen Menschen, die im ländlichen Raum leben, bekommen dadurch nicht nur zusätzliche Auflagen bei der Heizungsmodernisierung. Sie werden auch bei Fördermaßnahmen massiv benachteiligt. Denn Eigentümer, die erneuerbare Energien in eine Öl-Hybridheizung einkoppeln wollen, werden nach dem aktuellen Stand wohl deutlich weniger Unterstützung bekommen als Hauseigentümer mit Gasanschluss. Der Nachteil, der im Zuge der geplanten Austauschförderung den Menschen so entsteht, könnte pro Modernisierungsfall einige tausend Euro ausmachen.

Anstatt Verbote zu verordnen, sollte die Politik daher besser Anreize für die zusätzliche Einbindung erneuerbarer Energien in ölbasierte Hybridsysteme schaffen. Dabei sollte es vielfältige Erfüllungsoptionen geben, zum Beispiel auch der Einsatz CO2-reduzierten Heizöls. Denn Ölheizungen müssen nicht rein fossil betrieben werden. Durch den künftigen Einsatz regenerativer Kraft- und Brennstoffe, wie zum Beispiel fortschrittlicher Biobrennstoffe oder power-to-x, haben sie eine klimaneutrale Perspektive. Maßnahmen zur Einführung solcher erneuerbaren Kraft- und Brennstoffe sieht die Bundesregierung ja vor; es ist aber widersinnig, wenn man zugleich die Anwendungstechnik verdrängen will, die diese grünen Brennstoffe nutzen kann.

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