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Erneuerbare Energien

Biomasseheizung: Messtechnik erhält entscheidenden Einfluss bei Abgas-Praxismessung

Freitag, 27.03.2015

Wer mit Holz heizt, muss strengen Anforderungen an die Luftreinhaltung nach­kommen. Diese werden von der Verordnung über kleine und mittlere Feuerungs­anlagen (Erste Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, 1. BImSchV) geregelt. Am 1. Januar 2015 ist die 2. Stufe der 1. BImSchV in Kraft getreten.

Für Pellet­heizungen mit einer Nennwärmeleistung > 4 kW heißt das beispielsweise, dass Anlagen, die ab diesem Stichtag in Betrieb genommen werden, bei einer vor Ort vom Schornsteinfeger vorgenommenen Messung (Praxismessung) einen Grenzwert von 20 mg/Nm³ Staub einhalten müssen (neuer CO-Grenzwert: 400 mg/Nm³). Auch Hack­gutanlagen sind von den verschärften Grenzwerten betroffen. Für Stückholz­kessel wird die 2. Stufe der 1. BImSchV erst ab 2017 relevant. Mit optimierten Verbrennungstechniken ist es den führenden Herstellern von Biomasseheizungen gelungen, die geforderten Staub-Grenzwerte der 2. Stufe bei den Typenprüfungen zu erreichen bzw. sogar zu unterschreiten.

Wie aber gestalten sich die Messungen in der Praxis? Wie reagiert die Messtechnik auf diese Anforderungen?

Rede und Antwort standen dem HeizungsJournal:

  • Matthias Woll, Produkt­manager Partikelmessge­räte der Testo AG
  • Dr.-Ing. Stephan Ester, Geschäftsführer der Wöhler Messgeräte Kehrgeräte GmbH

Holz ist in Deutschland ein elementarer Bestandteil der regenerativen Wärmeerzeugung. Ist die aktuelle Verschärfung der Abgas-Grenzwerte im Rahmen der 2. Stufe der 1. BImSchV nicht kontraproduktiv für die Energiewende?

Woll (Testo):

Portrait von Matthias Woll.
Quelle: Testo
Matthias Woll, Produktmanager Partikelmessgeräte Testo AG.

Ganz im Gegenteil. Die regenerative Wärmeerzeugung ist wichtig, aber es geht dabei um Nachhaltigkeit. Wie nachhaltig ist es, wenn wir nicht beachten, dass wir bei der Verbrennung von Biomasse den von der WHO zum gefährlichsten Luftschadstoff erklärten Feinstaub weiterhin ausstoßen? Mehr Anlagen würden mehr Ausstoß bedeuten und speziell Verbrennungspartikel, die sehr tief in den Körper eindringen, werden für verschiedene Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich gemacht. Die Verschärfung der Schadstoffgrenzwerte geht deshalb mit der Wärmeerzeugung durch regenerative Brennstoffe einher.

Ester (Wöhler):

Portrait von Stephan Ester.
Quelle: Wöhler
Dr.-Ing. Stephan Ester, Geschäftsführer Wöhler Messgeräte Kehrgeräte GmbH.

Nein, das Gegenteil ist der Fall. Die Energiewende kann selbstverständlich nur erfolgreich gelingen, wenn diese auch ökonomisch und ökologisch nachhaltig ist. Im Falle der regenerativen Wärmeerzeugung mit Holz bedeutet dieses, dass bei der Bewertung der Klimagase nicht nur der CO2-Kreislauf, sondern auch die Partikelemissionen bei der Verbrennung berücksichtigt werden müssen. Nur so können Verbrennungsverbote für die Biomasse, wie sie teilweise in Europa schon existieren, grundsätzlich und langfristig verhindert werden.

Einige Hersteller aus dem Marktsegment der Biomasseheizungen für Holzpellets, Hackgut und Stückholz betonen, dass die Politik in Bezug auf die verschärften Emissionsgrenzwerte weit über das Ziel hinaus schießt und im Grunde moderne Holzfeuerungen, die technisch ausgereift sind, torpediert anstatt die problematischen Altanlagen ernsthaft in den ­Fokus zu nehmen. Warum besitzt die 2. Stufe der 1. BImSchV so viel Konfliktpotential?

Woll (Testo):

Wenn man die aktuell verfügbaren Modelle der führenden Hersteller betrachtet, sieht man eindeutig, dass es bereits viele Hersteller gibt, die die neuen Grenzwerte einhalten. Daher bin ich nicht der Meinung, dass diese neuen Modelle torpediert werden. Natürlich kann ich nachvollziehen, dass eine gewisse Übergangsfrist für Altanlagen sinnvoll ist, da es sich immer um eine größere Investition handelt. Ob diese Übergangsfrist so lang sein muss, stelle ich jedoch in Frage. Es gibt bereits Technologien (z.B. Filter), die die Feinstaubwerte senken und somit auch die Altanlagen auf den Stand der Technik bringen könnten.

Ester (Wöhler):

Im Vorfeld der Novellierung der 1. BImSchV im Jahr 2010 sollten Simulationsrechnungen aufzeigen, bei welchen Emissionswerten von Kleinfeuerungsanlagen zukünftig eine Reduktion der Feinstaubimmissionswerte und damit eine Entschärfung der gesamten Feinstaubproblematik zu erwarten wäre. Die dazu notwendigen neuen Emissionsgrenzwerte stellten eine sehr ambitionierte Verschärfung dar. Um dem Markt genügend Zeit zur Umstellung zu geben, sieht die 1. BImSchV zwei Grenzwertstufen vor. Nun sieht es so aus, dass der Zeitpunkt der 2. Stufe für eine wirtschaftliche Lösung sehr früh fällig ist.

Das Staubmessgerät Wöhler-
Quelle: Wöhler
Das Staubmessgerät Wöhler-"SM 500": langwierige und aufwendige Auswertungen sind Vergangenheit. Die Staubmassenkonzentration kann direkt vor Ort ermittelt werden.

Von Jörg Gamperling
Chefredaktion HeizungsJournal

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